Man könnte sagen in Tralau kommt einiges zusammen. Denn das kleine Dorf im Norden Stormarns liegt nicht nur in der Mitte von Travenbrück, es ist auch der größte der sechs Ortsteile. Kein Wunder also, dass viele Institutionen der Gemeinde wie die Freiwillige Feuerwehr, der Sportverein, der Kindergarten, das Gemeindehaus und die Kirche in Tralau angesiedelt sind.
Hier treffen Menschen aus allen Travenbrücker Ortsteilen (und darüber hinaus) aufeinander und leisten auf unterschiedlichste Arten einen Beitrag, um das Leben vor Ort lebenswert zu machen – und das häufig in unbezahlter, ehrenamtlicher Tätigkeit.
Beispielhaft sei hier der Tralauer SV erwähnt. Als einem der wenigen Dorfvereine gelingt es dem TSV noch, von der G- bis zur E-Jugend jeweils eine eigene Fußballmannschaft zu stellen und den Nachwuchs für den Sport zu begeistern. Auch die Kinderturngruppe erfreut sich großer Beliebtheit. Mit Fußball, Tischtennis, Gymnastik, Tanzen und Fitness gibt es auch für die Erwachsenen zahlreiche Bewegungsangebote.
Sogar ein eigenes Schloss darf unser Dorf sein Eigen nennen. Streng genommen handelt es sich dabei zwar „nur“ um ein besonders prächtiges Herrenhaus, trotzdem gilt es vielen als das inoffizielle Tralauer Wahrzeichen. Zahlreiche Zeitungsartikel, Internetbeiträge und die eine oder andere TV-Produktion rund um das Schloss haben Tralau so ein wenig bekannter gemacht.
Wer es etwas stiller mag, ist in den angrenzenden Waldstücken bestens aufgehoben. Ob an den Salzwiesen entlang der Trave, unter den alten Buchen zwischen Tralau und Vinzier oder auf dem Waldweg Richtung Leezen: Sobald die Geräusche der A21 nachlassen, kann man hier aufatmen, die Natur genießen und durchaus die eine oder andere spannende Entdeckung machen.
Natürlich bleibt die Zeit auch in Tralau nicht stehen und vieles befindet sich im Wandel. Highlandrinder schauen zu, wie neue Häuser hochgezogen werden. Zwischen Raps und Mais findet man immer öfter Blühstreifen und Insektenwiesen. Die Traktoren, die einem als Kind so riesig erschienen, wirken winzig im Vergleich zu den gigantischen Erntemaschinen der Lohnunternehmen. Eine Bäckerei gibt es längst nicht mehr im Ort, dafür eine schnelle Glasfaserleitung – in Zeiten von Home Office und Stadtflucht ein enormer Standortvorteil! Auf den Straßen sind vermutlich weniger Kinder unterwegs als früher. Aber spätestens, wenn ein Laternenumzug oder das Vogelschießen anstehen, merkt man: Tralau steckt voller Leben. Hier kommt eben einiges zusammen.
Text: Henner Witt
Ein sehr schönes Interview über das Zugezogensein und das Heimischfühlen mit Henner Witt und zwei Tralauer Paaren. Die einen leben seit 40 Jahren in der Gemeinde, die anderen sind erst vor kurzem hergezogen. Und doch haben sie mehr gemeinsam, als man auf den ersten Blick vermuten könnte.
Für immer zugezogen?
Was haben sich alteingesessene und neu zugezogene Tralauer eigentlich so zu erzählen, wenn man sie gemeinsam an einen Tisch setzt? Dieser Frage sind wir bei einer Flasche Rotwein auf den Grund gegangen. Renate und Kurt leben seit 45 Jahren in Tralau und sind schon genau so lange in der Gemeinde engagiert. Naturgemäß haben sie etwas mehr vom Dorfleben zu berichten als Carsten, der mit seiner Frau Freya 2020 in den Grünen Winkel gezogen ist. Mittlerweile werden die beiden von einer süßen Babytochter verstärkt.
Dass man auf dem Dorf auch nach vielen Jahren noch als Zugezogener gilt, ist mittlerweile eine Binsenweisheit, die auch als Running Gag durchs Internet geht. Aber stimmt das auch wirklich? Zumindest Renate und Kurt können das aus eigener Erfahrung bestätigen: Für viele Dorfbewohner waren sie auch nach 20 Jahren noch „die Hamburger“. Carsten nimmt das heute anders wahr: „Ich fühle mich nicht mehr als neu“.
Auf die Frage, warum die Wahl des Lebensmittelpunktes auf Tralau fiel, erhalte ich Antworten, die sich erstaunlich ähneln – obwohl zwischen beiden Entscheidungen rund 40 Jahre liegen. Die gute Anbindung mit der Laage zwischen Hamburg und Lübeck war damals wie heute wichtig, ebenso wie der Wunsch, die Kinder unbeschwert „draußen im Grünen“ aufwachsen zu lassen.
Als wir auf die Infrastruktur zu sprechen kommen merkt man, wie sehr sich das Dorfleben in all den Jahren verändert hat: Während man früher am Kiosk oder im Tante-Emma-Laden noch alles bekam, was den Grundbedarf abdeckte, führt heute fast kein Weg am Wocheneinkauf beim Discounter vorbei. Wobei: Kartoffeln und Honig gibt es direkt im Ort und auch der Hofladen der Imkerei Lodders erweitert ständig sein Sortiment.
Bis in die Neunzigerjahre wurde in Tralau am Mühlenberg noch frisch gebacken. Für Fahrradfahrer war das kleine Café mit den Vogelvolieren ein beliebter Zwischenstopp auf dem Weg zum Neversdorfer See. Die Brötchen waren sogar so gut, dass Renate und Kurt am Wochenende immer der Hamburger Verwandtschaft eine große Tüte mitbringen mussten. Heute ist der Ofen lange aus, wer mag kann dafür zwei Mal in der Woche zum Bäckerwagen gehen oder einen Lieferservice buchen.
Früher ging in Tralau auch wortwörtlich noch die Post ab. Doch auch das kleine Postamt ist schon seit vielen Jahren nicht mehr in Betrieb. Nur manch älterer Dorfbewohnern spricht auch heute noch vom Post SV, wenn es um den Tralauer Sportverein geht. Apropos: Zusammen mit der Feuerwehr sind das bekanntermaßen die beiden Institutionen, bei denen es auf dem Dorf auch durchaus mal feucht-fröhlich zugehen kann. Bei dem Thema bekommt Carsten kurz feuchte Augen – denn eine zünftige Dorfkneipe in unmittelbarer Nähe vermisst er dann doch sehr. Im Landhaus Nütschau wird derzeit weder gekegelt oder ausgeschenkt. Ob das Vereinsheim da vielleicht etwas Trost bieten kann, wenn die Pandemie vorbei ist?
Einigkeit am Tisch herrscht darüber, dass früher nicht alles besser, aber manches anders war. Heute ist vielleicht etwas weniger Gartenzaun und etwas mehr Nachbarschafts-Whatsapp-Gruppe. Ein bisschen schade finden Renate und Kurt, dass man nicht mehr jeden kennt und nicht mehr jeder grüßt. Carsten wiederum merkt positiv an, dass das in seiner Wahrnehmung auf die meisten Jugendlichen nicht zutrifft. Insgesamt habe das Gemeinschaftsgefühl schon ein wenig nachgelassen. Natürlich sind auch coronabedingt die Begegnungspunkte in den letzten zwei Jahren weniger geworden. Aber am Ende steht und fällt es immer mit den Menschen, die Dinge auf die Beine stellen. Und allen anderen, die anschließend mit den Füßen abstimmen. Schon in den Achtzigerjahren drohte zum Beispiel das Vogelschießen einzuschlafen. Am Ende waren es die Zugezogenen, die den Festausschuss ins Leben riefen und dabei halfen, die Tradition aufrecht zu erhalten. Auch, wenn der eine oder andere Neu-Tralauer dem Brauch zunächst skeptisch gegenüberstand („Auf Vögel schieß ich nicht!“).
Letzten Endes hat jede Tradition irgendwann einmal ihren Anfang genommen – und möchte auch fortgeführt werden. Daher gebührt jedem, der sich in irgendeiner Form für die Gemeinde engagiert, unser aller Dank. Ob alteingesessen, frisch zugezogen oder seit 20 Jahren zugezogen ist da völlig egal. Na gut, vielleicht liegt der Ball ein klitzekleines wenig mehr bei den Jüngeren unter uns. In diesem Sinne: Man sieht sich! ☺